Im Amtszimmer des Protokollchefs des Bundespräsidialamts Martin Löer steht eine Büste von Felix Mendelssohn Bartholdy. An einem Nachmittag hat er mir eine merkwürdige, aber hoch interessante Geschichte über diese Büste erzählt.
1987 feierte Berlin sein 750-jähriges Bestehen. Der Lord Mayor der City of London (Altes Zentrum von London) kam nach West-Berlin und schenkte dem Regierenden Bürgermeister eine Büste von William Shakespeare. Damals war ich Referatsleiter in der Protokollabteilung von Berlin. Ich habe vorgeschlagen, als Gegengeschenk, wenn der Regierende Bürgermeister nach London fährt, eine Büste von Felix Mendelssohn Bartholdy zu schenken, weil Mendelssohn einen engen Bezug zu Berlin hatte. So hat er viele Jahre in Berlin gearbeitet und in der Singakademie die damals fast vergessene Matthäuspassion von J.B. Bach wieder aufgeführt. Mendelssohn Bartholdy war auch in London, wo er als Organist in der Saint-Paul-Kathedrale arbeitete, die genau in der Mitte von London liegt. Aus diesem Grund fertigten wir eine Kopie der Büste von Mendelssohn an, dessen Original aus Marmor aus dem Jahre 1848 in der Berliner Staatsbibliothek ist. Dann haben wir ein Modell aus Gips als Probe gemacht. Das ist die Büste in meinem Zimmer. Daraufhin wurde eine weitere Büste aus anderem Material gegossen. Diese aus flüssigem Stein gefertigte Büste wurde nach London mitgenommen.
Die Büste sollte am 9. November 1989 vom Regierenden Bürgermeister an den Lord Mayor der City of London feierlich übergeben werden. Der damalige Regierende Bürgermeister Walter Momper hatte festgelegt, dass er an dem Tag London besucht. Die Situation Berlins um den 9. November war aber sehr heikel. Daher änderte er zwei Tage vorher seine Pläne und sandte seine Frau in seiner Vertretung nach London. Ich war mit dabei. Die Zeremonie fand im Barbican Centre statt, einem Kulturzentrum, das ganz in der Nähe vom Mansion House (Residenz des Lord Mayor) liegt. Dort wurde die Büste enthüllt. Davor hatten Frau Momper und der Lord Mayor jeweils eine kleine Rede gehalten. Anschließend gab es ein Konzert des London Philharmonic Orchestra und einen Empfang.
Am nächsten Morgen schaltete ich im Hotelzimmer den Fernseher an. Er zeigte Bilder aus Berlin! Ich habe sofort Frau Momper angerufen, die noch schlief, und ihr gesagt: „Frau Momper, bitte machen Sie den Fernseher an! Überall gibt es Live-Übertragungen von Berlin! Die Menschen tanzen auf der Mauer“. Sie verstand mich jedoch nicht richtig und fragte zurück: „Panzer?“ „Nein, nicht Panzer, sondern Tanzen! Die Leute tanzen auf der Mauer“. Wir haben dann zusammen ferngesehen und vor Freude fürchterlich geweint. Sie ist noch am Vormittag nach Berlin zurückgeflogen.
Die Kopie der Büste müsste eigentlich weggeschmissen werden, weil sie kein Original ist. Aber ich durfte sie behalten. Seitdem ist sie immer bei mir, in jedem Büro, wo ich arbeite. Sie erinnert mich an den 9. November 1989...
Im Jahr 2009 ist es 20 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer her. Gleichzeitig wird in diesem Jahr der 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy gefeiert.
Übersetzung meines Artikel für die Doitsu News Digest (7.11.2008)
Blog Ranking
Friday, November 28, 2008
Subscribe to:
Post Comments (Atom)
No comments:
Post a Comment